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Zuwenden statt ausgrenzen: Fachtag will Kitas stärken

Referent*innen des Fachtags des Kindertagesstättenverbandes Leine-Solling: V.li. Entwicklungspsychologin Tebogo Nimindé-Dundadengar, Diplom-Sozialpädagoge und Therapeut Klaus Kokemoor u. Kulturwissenschaftlerin Olaolu Fajembola, Foto: Christian Dolle

300 Mitarbeitende des Kindertagesstättenverbandes treffen sich in Einbeck

Kirchenkreis. Ein Kind im Morgenkreis will nicht stillsitzen. Die Stimmung der Erzieherin ist angespannt, die der anderen Kinder auch. Mit dieser Szene konfrontierte der Diplom-Sozialpädagoge und Therapeut Klaus Kokemoor die etwa 300 Mitarbeitenden des Kindertagesstättenverbandes Leine-Solling beim Fachtag Inklusion in Einbeck. Die Anspannung greift sogar auf sie über, da sie alle eine ähnliche Situation kennen. Die Mitarbeiterinnen arbeiten in den 15 evangelischen Kindertagsstätten zwischen Katlenburg und Uslar. 1200 Betreuungsplätze werden von ihnen versorgt.

Kurz darauf zeigt Kokemoor eine Szene, in der das Kind nun außerhalb des Kreises herum-turnt, während alle anderen ganz normal ihrer Morgenroutine nachgehen. Der Kreis wurde sozusagen erweitert, neues Verhalten wurde integriert. Für die Kinder, so der Referent, ist es meist nicht schwer, anderes Verhalten zu akzeptieren, es wird für sie als Eigenheit normal, wenn wir als Erwachsene ruhig mit der Situation umgehen.

Noch einige weiterer solcher Fallbeispiele hatte Klaus Kokemoor auf Video mitgebracht, die er gemeinsam mit dem Auditorium analysierte. So berichtete er beispielsweise von Kindern, die anfangs um sich schlugen, später aber in die Gruppe integriert werden konnten, weil mit ihnen individuell, vielleicht unkonventionell, wertschätzend und akzeptierend umgegangen wurde.

„Wir gehören zu den Berufsgruppen, die nicht durch eine KI ersetzt werden können“, machte er den Anwesenden auf humorvolle Weise Mut und lobte ihre manchmal schwierige, doch enorm wichtige Arbeit.

Einen zweiten Vortrag gab es von der Kulturwissenschaftlerin Olaolu Fajembola und der Entwicklungspsychologin Tebogo Nimindé-Dundadengar. Bei ihnen ging es um rassismus-kritische Bildung und Möglichkeiten zur Förderung von Diversität in der frühkindlichen Erziehung, was vielleicht erst einmal nach einem ziemlich harten Brett klingt.

Allerdings schafften es auch die beiden Referentinnen, die zusammen Bücher zu dem Thema schreiben und einen Onlineshop für Spielzeug und Bücher für Kinder aller Herkünfte grün-deten, ihre Zuhörer*innen mitzunehmen. Es war weniger ein Vortrag als ein gelenkter Aus-tausch, zu dem sie aber etliche interessante Impulse beisteuerten.

Kinder machen keine Unterschiede, heißt es, stellte Tebogo Nimindé-Dundadengar in den Raum. Das stimme nicht, denn sie unterscheiden schon früh zwischen Unbekanntem und Bekanntem. Kinder haben keine Vorurteile, heißt es. Aber sie übernehmen sehr schnell Ste-reotypen und halten sie für normativ. Kinder lernen Vorurteile von den Eltern, heißt es. Nicht nur, denn auch Kinderbücher, Fernsehen etc. spielen dabei eine große Rolle.

Genau deshalb sei es so wichtig, dass dunkelhäutige Menschen in Geschichten nicht per se böse sind, dass versteckter Alltagsrassismus nicht (zum Teil unbewusst) medial reproduziert wird. Und das gilt natürlich ebenso für unser alltägliches Miteinander. Sie selbst habe es immer wieder erlebt, dass Menschen ihr ungefragt in die Haare fassen. Nicht einmal böse gemeint, aber definitiv nicht okay und insbesondere für Kinder ein Verhalten von Erwachsenen, das sie prägt.

„Wir finden es wichtig, das Wort Rassismus auszusprechen“, vertraten beide ihren Stand-punkt. Zunächst müssten Erwachsene verstehen, was eigentlich rassistisch ist, bevor sie an-schließend mit Kindern darüber reden. Das sei ohne weiteres möglich, denn Kinder haben ein starkes Gerechtigkeitsbedürfnis, so Olaolu Fajembola.

Eine Studie habe ergeben, dass aktuell vor allem muslimisch gelesene Familien mit negati-ven Verhaltensweisen stigmatisiert werden. Vieles davon werde aber nicht thematisiert und aufgearbeitet, was dann zu Verunsicherungen vieler Menschen und dazu führt, dass Children of Color in unserem Bildungssystem ungeachtet ihrer Leistungen abgestraft werden, und letztlich eben auch zu einem Erstarken rechtsextremer Parteien, wie wir es in den letzten Jahren erleben.

Der evangelisch-lutherische Kindertagesstättenverband Leine-Solling umfasst 15 Kitas in Katlenburg, Gillersheim, Sudheim, Northeim, Höckelheim, Iber, Moringen, Hardegsen, Us-lar, Einbeck, Markoldendorf und Dassel. Darunter Kindergarten-, Krippen-, Hort- und auch Integrationsgruppen mit insgesamt etwa 1200 Betreuungsplätzen und 300 Mitarbeitenden.